Mythos Rotes Fleisch – Wunderwaffe oder Krebsbeschleuniger?
Ich gebe zu – der Titel ist reisserisch. Aber genau so dogmatisch und «schwarz oder weiss» wird aktuell mit Ernährungsthemen umgegangen. Egal ob es um Fleisch, Milchprodukte oder Soja geht, man findet immer irgendwo «gut» oder «böse» und wenig dazwischen. Wenn du wissen möchtest, wozu du Proteine brauchst und wieviel Eiweiss zum Abnehmen oder für den Muskelaufbau nötig ist, lies diesen Blogbeitrag. In diesem Artikel geht es spezifisch um die Proteinquelle Fleisch. Gerade letzte Woche habe ich gelesen, dass Pouletfleisch ab einer bestimmten wöchentlichen Menge schädlich sein soll. Bisher wurde nur ein Zuviel an rotem Fleisch problematisch bewertet. Jetzt soll plötzlich auch weisses Fleisch problematisch sein? Und das mitten in der Grillsaison! Grund genug also, diesem Thema ein bisschen Licht einzuhauchen.
Rotes Fleisch – fluch oder segen?
Als erstes möchte ich hier einen wichtigen Unterschied herausstreichen. Wer bereits Blogbeiträge von uns gelesen hat, weiss, dass wir Ernährungsformen wie Ancestral, Paleo, Mediterranean o.Ä., befürworten. All diese Ernährungsformen bedienen sich einer natürlichen und ursprünglichen Ernährungsweise, die alles beinhaltet, also möglichst vielseitig ist, und dies möglichst unverarbeitet.
Aus diesem Grund sollte bereits klar sein, dass wir hier nicht auf verarbeitete Fleischprodukte wie Wurstwaren (Schinken, Salami etc.) eingehen. Es liegt auf der Hand, dass solche Produkte diverse Nachteile mit sich bringen. Vielmehr interessiert uns die Datenlage zu unverarbeitetem rotem Fleisch.
Eine umfassende Meta-Analyse aus dem Nature zeigt einen leichten Zusammenhang – «weak evidence» – zwischen unverarbeitetem Fleisch und Dickdarm- und Brustkrebs (6% resp. 3%) sowie Herzkrankheiten (1%). Eine 1%ige-Erhöhung wurde auch im Zusammenhang mit erhöhtem Diabetes-2 Risiko angegeben.
Jetzt ist aber wichtig zu beachten: Nur weil ein Zusammenhang zwischen den untersuchten Krankheiten und dem Konsum von rotem Fleisch festgestellt wurde, bedeutet dies nicht automatisch, dass dieser Zusammenhang auch kausal ist. Ob der Fleischkonsum auch verantwortlich für die entsprechenden Krankheiten ist, insbesondere bei einem so kleinen Zusammenhang von 1%, muss genauer untersucht werden.
Beispielsweise erhöht Fleischkonsum den Insulinspiegel kaum. Daher liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um sogenannte «falsch-positive» Zusammenhänge handelt. Also Zusammenhänge, die gar nichts miteinander zu tun haben. Das Paradebeispiel für falsch-positive Zusammenhänge ist eine Ortschaft, in der es gleichzeitig viele Störche und viele Babies gibt. Bringen nun die Störche automatisch die Babies, oder gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Korrelation? Eher nicht … Der Grund dafür könnte auch an den Getränken liegen, die zu einer Fleischmahlzeit getrunken oder an den Beilagen, die häufig zu Fleisch gegessen werden.
Bei Studien zum Thema Ernährung besteht generell die Herausforderung, dass die Auswirkungen einzelner Lebensmittel auf den Menschen aus (guten Gründen) nicht im Labor spezifisch einzeln getestet werden können. Das hat aber zur Folge, dass nicht kontrolliert werden kann, was die einzelnen Studienteilnehmer alles essen. Entsprechend kann die Auswirkung von einzelnen Lebensmitteln nur schwer bis gar nicht gesondert untersucht werden. (Mai Thi Nguyen-Kim erklärt dieses Problem sehr gut in diesem etwas längeren Video zum Thema Zucker.)
Spannend am Nature-Artikel finde ich zudem den Hinweis, dass man sich die Frage stellen sollte, was man dann als Ersatz für das rote Fleisch isst, wenn man dieses weglässt. Es gibt durchaus vernünftige Alternativen. Gerade in der Grillsaison sehen wir aber viele zu verarbeiteten Lebensmitteln wie einem Veggie-Schnitzeln oder Gemüse aus der Aluschale greifen. Warum Alu unvorteilhaft ist, erläutere ich gleich im nächsten Abschnitt.
Ist das fleisch oder die zubereitung das problem?
Ein aktueller Beitrag aus dem Hause NDR widmet sich ebenfalls dem Thema «rotes Fleisch». Was äussert interessant ist, ist die Tatsache, dass es weniger ums rote Fleisch, sondern mehr ums Grillieren geht und dies das Problem für die schädlichen Stoffe zu sein scheint. Konkret geht es um folgende Probleme:
- PAK-Stoffe: Wenn Fett in die Glut gelangt, entsteht Rauch. Dieser enthält polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die krebserregend sind. Doch genau dieser Holzkohlegeschmack gibt Fleisch das geliebte Aroma.
Was tun? Weniger fettiges Fleisch verwenden und/oder das Fleisch vorher abtupfen. Ein gewünschter Geschmack kann auch mit einer (ebenfalls fettarm) Marinade erzielt werden. Werden dazu noch Kräuter verwendet, sinkt die HAA-Bildung (siehe unten) um satte 80%. Allenfalls auf einen Gas- oder Elektrogrill umsteigen, da so weniger Schadstoffe ins Fleisch gelangen. - HAA-Stoffe: Wenn Eiweiss verbrennt, entstehen heterozyklische aromatische Amine. Auch diese sind krebserregend.
Was tun? Nur kurz und heiss «anbraten», anschliessend indirekt grillen, sprich nicht direkt über der Flamme. So gelangen weniger HAA-Schadstoffe ins Fleisch. - Grillgefässe: Oft werden Aluminiumschalen oder Teflonpfannen zum Grillieren verwendet. Aluminium schmilzt zwar erst bei 660 Grad, aber bei Kontakt mit Salz und Säuren geht es ins Fleisch und danach in den Körper über. Aluminium ist giftig für Knochen, Nieren und Gehirn (Alzheimerrisiko). Teflon zersetzt sich bei 300 Grad. Solche Temperaturen können bei Grillieren locker erreicht werden.
Was tun?: Gusseisen- oder Kupfer-Pfannen verwenden. - Beilagen: Bei einer Wurst mit Brot auf leeren Magen hat die Wurst mehr Platz und Zeit, allfällige giftige Stoffe abzugeben
Was tun? Mit ballaststoffreichen Beilagen wie beispielsweise Gemüse kann das Risiko minimiert werden, da das Fleisch weniger Kontakt zu den Darmzotten hat.
Grösseres Risiko bei Fleischkonsum oder bei nährstoffmangel?
Rotes Fleisch ist reich an essenziellen Mikronährstoffen, Spurenelementen wie Eisen und Zink sowie A-, E- und B-Vitaminen, allen voran B12. Daneben enthält es z.B. Kreatin und Carnitin. Dies sind Verbindungen aus essentiellen Aminosäuren, die wichtige Funktionen im Körper ausüben, wie beispielsweise die Fettsäuren in die Mitochondrien zu bringen.
Schauen wir uns Vitamin B12 genauer an. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass eine ausreichende B12-Versorgung fast nur mit tierischen Produkten zu erreichen ist, weil Vitamin B12 fast ausschliesslich in tierischen Produkten vorkommt. Das bedeutet, dass Vegetarier, die Milchprodukte und Eier konsumieren, ihren Bedarf decken können, vorausgesetzt, sie achten sich bewusst darauf. Veganer hingegen müssen Vitamin B12 zwingend supplementieren. Erfahre mehr, warum Veganismus gesundheitlich problematisch sein kann.
Zwar gibt es pflanzliche Lebensmittel, die manchmal als B12-Quellen genannt werden. Dazu gehören Algenarten wie Nori, Chlorella oder Spirulina und einige Pilzarten, wie Shiitake oder Pfifferlinge. Dabei handelt es sich aber entweder um sehr geringe Mengen oder um B12-Analoga (Pseudovitamin B12), die vom menschlichen Körper nicht effektiv genutzt werden können und sogar die Aufnahme von echtem B12 blockieren können. Nori beispielsweise, die in Sushi verwendet wird, hat gezeigt, dass sie geringe Mengen an bioaktivem B12 enthalten kann. Die benötigte Menge ist aber sehr hoch.
Warum ist Vitamin B12 (Cobalamin) so wichtig?
- Blutbildung: Es spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung von roten Blutkörperchen.
- Nervenfunktion: Es ist unerlässlich für ein gesundes Nervensystem und die Myelinscheide, die Nervenfasern umgibt.
- Zellteilung: Es ist an Prozessen der Zellteilung und DNA-Synthese beteiligt.
Ein Mangel kann zu Anämie (Blutarmut), Nervenschäden, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen führen.
Ich habe ChatGPT gefragt, was mögliche Gesundheitsrisiken von B12-Mangel sind. Neben einigen unschönen, aber nicht wirklich schlimmen Nebenerscheinungen, wurden folgende schwere Symptome angegeben:
Erhöhte Homocysteinwerte, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen kann. Depressionen, Muskelschwäche und Gangunsicherheit. Bei Schwangeren kann es zu schweren Entwicklungsstörungen des Kindes kommen.
Auch ein Zinkmangel erhöht das Risiko für Depressionen, chronische Entzündungen und häufige Infekte.
Das sind nur Beispiele. Was ich mit diesen aufzeigen will: Wer sich einseitig auf die eine oder andere Art ernähren möchte, sollte sich mit den entsprechenden Risiken auf jeden Fall ausreichend auseinandersetzen.
Eisen als grund für gesundheitsprobleme?
Laut dem NDR-Beitrag sind die Gründe, warum rotes Fleisch ungesund sein soll, unbekannt.
«Es wird unter anderem vermutet, dass ein Übermass an Eisen aus tierischen Lebensmitteln, das sogenannte Häm-Eisen, zu Zellschädigungen oder Funktionsstörungen der Zellen sowie Schäden im Erbgut führen kann – dadurch kann Krebs entstehen».
Diese Erklärung macht sehr viel Sinn, denn freies Eisen im Körper ist hochgiftig. Die kupferhaltigen Proteine Ceruloplasmin und Hephaestin sind die Hauptverantwortlichen für die Umwandlung in «sicheres» Fe³⁺. Doch Kupfermangel ist heute sehr gängig. Mehr dazu in diesem Blogbeitrag zum Thema Eisen und Anämie.
Wenn man sich nun überlegt, dass das Eisen aus dem roten Fleisch das Problem sein könnte, müsste man dann die Eiseninfusionen bei Vegetariern und bei Schwangeren nicht kritisch überdenken?
Doch nicht nur Eisen wird als Supplement verschrieben. Das gleiche wird bei anderen Stoffen gemacht, die ausreichend in rotem Fleisch vorkommen. B-Vitamine, Zink und Kreatin, um nur einige zu nennen. Etwas überspitzt könnte man sagen: Man meidet das eine und supplementiert dann mit Dingen, die im Labor hergestellt wurden. Macht das Sinn und ist das wirklich “gesünder”?
Andere tierische proteinquellen wie poulet, fisch, eier und milchprodukte
Die Studie zum Pouletfleisch, die 20 Minuten zitiert, dauerte 4 Wochen, hatte 113 Teilnehmer aufgeteilt auf 3 Gruppen und nahm den Cholesterinspiegel zum Anlass, um zu beurteilen, ob jemand gesund oder ungesund ist. Dieses Studiendesign ist aufgrund der kleinen Stichprobe kritisch zu bewerten. Zum anderen ist der gemessene Biomarker, also der Cholesterinspiegel, gar nicht das Problem im Hinblick auf die Gesundheit, sondern die Oxidation von Lipiden. Lese dazu diesen Artikel «die grössten Risikofaktoren für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen». Aus diesen beiden Gründen ist diese Studie hinsichtlich ihrer Aussagekraft kritisch zu bewerten.
Wer mehr über Cholesterin wissen möchte und die Frage, ob Eier Cholesterinwerte erhöhen, beantwortet haben möchte, der sollte sich diesen Artikel eines Kardiologen auf Journalmed.de zu Gemüte führen.
Bei Milchprodukten verhält es sich etwa gleich wie bei Fleisch. Man findet Studien, die Milch als krebsfördernd bezeichnen und solche, die behaupten, dass Milch vor Krebs schützt. Also einmal mehr wie so oft beim Thema Ernährung: It’s complicated.
Und last but not least verhält es sich auch beim Fisch so, dass es zwar reich an schützendem Omega-3 ist, andererseits aber schwermetallbelastet ist.
Wie steht es denn um pflanzliche Proteinquellen?
Pflanzliche Quellen für Proteine, Eisen und Vitamin B12
Ich kopiere sehr ungern, doch ich kann es nicht besser schreiben, als es im NDR-Artikel steht:
«Sowohl tierisches Protein als auch tierisches Eiweiss können vom Körper besser verwertet werden als pflanzliches. Dennoch gibt es fleischfreie Alternativen: Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen sind gute Eiweissquellen, aber auch Nüsse, Samen, Getreide, Gemüse und natürlich Milchprodukte enthalten Proteine. Pflanzliches Eisen steckt in Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten wie Haferflocken, Nüssen und Samen sowie Spinat, Mangold und Pfifferlingen. Ein Trick, damit der Körper Eisen besser aufnehmen kann, ist, eisenhaltige Lebensmittel mit Vitamin-C-haltigen zu kombinieren.»
Es sei hier angemerkt, dass pflanzliches Nicht-Häm-Eisen mit ca. 5% schlechter absorbiert werden kann als tierisches (ca. 20%).
Das Vitamin B12 kommt vor allem in tierischen Lebensmitteln vor und muss Lebensmitteln entweder künstlich angereichert oder supplementiert werden.
FAZIT
Ist rotes Fleisch nun ungesund? Ich behaupte folgendes:
Unverarbeitetes rotes Fleisch, welches qualitativ hochwertig ist (grasgefütterte Tiere, kein Antibiotikagebrauch), das schonend zubereitet wird, ist in vernünftigen Mengen sehr gesund und liefert uns wichtige Mikro- und Makronährstoffe. Was eine vernünftige Menge ist, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Als Orientierung empfiehlt die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) 300 – 600g pro Woche. Zudem teile ich die Meinung aus dem folgenden Zitat des NDR-Beitrag, dass Studien zum roten Fleisch meistens auf Selbstdeklaration der Teilnehmer beruhen und andere Lebensmittel aus deren Ernährungsweise komplett ausgeklammert werden:
«Studienergebnisse sind teilweise umstritten. Einige Forschende kritisieren, dass die ausgewerteten Studien aufgrund ihrer Machart keine eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung feststellen könnten. Ausserdem seien die Zusammenhänge eher schwach und andere Risikofaktoren für Krebs und weitere Erkrankungen sollten mehr im Fokus stehen – etwa Alkohol und starkes Übergewicht… Nicht zuletzt ernähren sich Menschen, die viel rotes und verarbeitetes Fleisch essen, oft auch generell ungesünder: Sie nehmen häufig mehr Salz, mehr gesättigte Fette und mehr Kalorien zu sich, was sich auch negativ auf die Gesundheit auswirkt.»
Vielleicht wird es langsam langweilig, aber das Fazit dieses Beitrags lautet wie so oft: It’s in the mix! Sowohl eine Carnivoren-Diät (eine rein auf Fleisch basierende Ernährung) als auch ein kompletter Fleischverzicht ist aus gesundheitlicher Perspektive (ethische Gründe ausgeklammert) nicht ideal. Zudem ist eine ausreichende Proteinmenge ohne tierische Produkte schwierig zu erreichen. Trotzdem heisst es nicht, dass man jeden Tag Fleisch essen sollte. Besser weniger, dafür in hoher Qualität. Gut Grill!
QUELLEN
- https://www.20min.ch/story/poulet-ist-so-ungesund-wie-rotes-fleisch-416951880952
- https://www.nature.com/articles/s41591-022-01968-z
- https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Rotes-Fleisch-Ungesund-bei-uebermaessigem-Verzehr,fleisch588.html
- ChatGPT Version 4.0
- https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0002916522011492?via%3Dihub#tb1fn1
- https://www.journalmed.de/patienteninfos/eier-cholesterin-was-kardiologe-sagt
- https://www.alta-klinik.de/ratgeber/vitamin-b12/vitamin-b12-in-lebensmitteln/
GraTIS FITNESS GUIDEs downloaden
GraTIS Challenges Zum Downloaden
Was Kunden sagen


