Wie du dein Training und deine Ernährung an deinen Zyklus anpassen kannst, um das Optimum rauszuholen
Über zyklusorientiertes bzw. -basiertes Training zu sprechen wurde in den letzten Monaten salonfähig. Es wurde erkannt, dass die hormonellen Unterschiede während des weiblichen Zyklus einen Einfluss haben auf das Training, die Ernährung, ja sogar das Verletzungsrisiko von Frauen. Gerade im Personal Training kann, sofern man darüber spricht, perfekt auf die jeweilige «Situation» eingegangen werden. Doch auch im Mannschaftssport wird vermehrt, zumindest in individuellen Sequenzen wie Warm-up oder im Kraftraum, auf die unterschiedlichen Phasen des Zyklus der Spielerinnen eingegangen. In diesem Blogbeitrag geben wir einen Überblick über die hormonellen Unterschiede sowie die möglichen Konsequenzen für Training und Ernährung inklusive Tipps. Viel Spass.
Der weibliche Zyklus in 4 Phasen
Im Kontext von zyklusorientiertem Training macht es am meisten Sinn, wenn man den weiblichen Zyklus in 4 Phasen einteilt. In der folgenden Grafik findet die Unterteilung in Menstruation, Follikelphase, Ovaluation und Lutealphase statt. Dazugehörig findet man jeweils auch gleich die «Keypoints» der jeweiligen Phase. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass «klassisch» alles vor dem Eisprung der Follikel- und alles danach der Luteal-, auch Gelbkörperphase genannt, zugeordnet wird.
Wie der Grafik bereits entnommen werden kann, ist die Phase 1 eine Entzündungsphase und häufig geprägt von Schmerzen. Hormonell sind die Frauen den Männern hier am ähnlichsten. Das Östrogen ist tief und die Frauen befinden sich in einem anabolen (=aufbauenden) Zustand. In der Follikelphase steigen die beiden Hormone Östrogen und LH an und erreichen in der Ovaluationsphase ihren Peak.
Frauen haben in Phase 2 besonders viel Power und es ist die ideale Wettkampfphase. Allerdings werden die Sehnen und Bänder durch das Mehr an Östrogen lockerer und man sollte besonders in Phase 3, um den Einsprung herum, gut Aufwärmen und Aufpassen mit Sprüngen und abrupten Richtungswechseln. Nach der Ovaluation, also in Phase 3 und 4, sinkt das Östrogen wieder und das Progesteron steigt an, womit auch allfällige PMS-Symptome auftreten können. Körpertemperatur, Puls und Atemfrequenz sind erhöht. In Phase 3 und 4, in der sich der Körper in einem katabolen (=abbauenden) Zustand und erneut in einer Entzündungsphase befindet, sollte ausreichend Eiweiss gegessen und die sportlichen Aktivitäten dem Befinden angepasst werden.
Zyklus und Training
Grundsätzlich sind allgemeingültige Empfehlungen fehl am Platz. Es gibt Frauen, die kaum PMS-Symptome haben oder Schmerzen relativ gut aushalten bzw. vielleicht sogar für einen Extra-Push nutzen können. So wurden auch schon Bestzeiten in Phase 1 gelaufen. Zudem wirken durch Sport ausgeschüttete Endorphine antiinflammatorisch, was in dieser Phase helfen kann. Andere Frauen fühlen sich so schlecht, dass an Sport kaum zu denken ist.
Dennoch lässt sich sagen, dass die Tage 6 bis 17 (Phasen 2 und 3) besser geeignet sind, um Stabilität zu trainieren, sprich intensives Kraft- oder Intervalltraining. Doch nicht nur der Muskelaufbau, auch die Reaktionsfähigkeit ist verbessert. Andererseits ist auch die Verletzungsanfälligkeit durch das lockere Bindegewebe erhöht. Dies muss bei Drill-Übungen mit Richtungswechseln oder Plyometrics beachtet werden. Diese sind allenfalls besser in Phase 4 einzuplanen.
In den Tagen 18-5 (Phasen 4 und 1) kann der Fokus mehr auf Mobilität, Koordinationsübungen und Grundlagenausdauer gerichtet werden. Yoga- und Mediationsübungen können ein guter Ersatz für schweres Krafttraining sein. Dennoch kann in dieser Zeit auch mit Gewichten trainiert werden. Je nach Befinden können hier die Wiederholungszahlen erhöht und die Gewichte entsprechend reduziert werden. Das Credo lautet «Maintenance», also Erhalten was man geschaffen hat. Ein sinnvolles Warm-up ist in diesen Phasen des Zyklus besonders wichtig. Kräftigungspräventionsübungen wie Nordic Curls, Copenhagen Planks oder einbeinige Romanian Deadlifts eignen sich hervorragend, um auf Belastungen des Unterkörpers vorzubereiten. Generell sollte bei Frauen der neuromuskulären Ansteuerung der hinteren Kette mehr Beachtung geschenkt werden, da sie von Natur aus schlechter ist als bei Männern und das A und O für ein gesundes Knie bzw. als Verletzungsprophylaxe.
Doch nicht nur im Training kann auf die einzelnen Phasen eingegangen werden. Auch bei der Recovery kann proaktiv gearbeitet werden. So sollte man besonders in den Phasen 4 und 1 auf genügend Schlaf achten oder nach Sporteinheiten Eisbäder oder Warm-Kalt Duschen im Verhältnis 1:2 (Minuten) machen. Auch Hacks wie Kompression mit Strümpfen oder mit sog. Recovery Boots, EMS Recovery Programme oder 2-3 Tropfen ätherisches Öl auf den Bauch oder um den Bauchnabel einreiben (Pfefferminze, Muskatellersalbei, Ingwer, Fenchel), können Grossartiges bewirken.
Verhütung und Sport
Eine Beratung bezüglich hormoneller Verhütung und Sport macht auf jeden Fall Sinn. So wird die Hormonspirale bei Athletinnen oftmals besser vertragen als orale Kontrazeptiva. Wichtig ist der Fakt, dass bei der hormonellen Verhütung der Hormonspiegel während des Zyklus stabiler ist, der Eisprung ausbleibt und somit oftmals unter konstanteren Bedingungen trainiert werden kann.
Zyklus und Ernährung
Phase 1
In Phase 1 sollen besonders eisenhaltige Lebensmittel konsumiert werden. Dazu gehören Linsen, Spinat oder dunkle Schokolade. Nicht nur in Phase 1, aber besonders jetzt ist eine Kreatin-Supplementierung(0.3g/kg pro Tag) zu empfehlen. Frauen produzieren bis zu 70-80% weniger körpereigenes Kreatin als Männer, verlieren aber mehr und können besonders in Sachen Leistung und Stimmung profitieren. Mehr darüber in einem separaten Blogbeitrag.
Phase 2
In dieser Phase sollte man genügend Kohlenhydrate essen. Zudem hilft die Supplementierung mit Vitamin C Bändern und Sehnen. Auch eine kollagenhaltige und somit eiweissreiche Ernährung ist sinnvoll. In diesen Phasen muss man mehr essen als üblich (auch wenn der Appetit vielleicht reduziert ist) um ein Energiedefizit zu vermeiden. Sogenannte RED-S (Relative Energy Deficiency in Sport) häufen sich in dieser Phase, was zu Stressfrakturen oder langfristig zu unregelmässigen Zyklen führen kann (Anmerkung: generell ist das Phänomen bei Spitzenathletinnen weit verbreitet. Mit einem höheren Kalorienkonsum kann da effektiv entgegengewirkt werden).
Phase 3
Die Oxidation von Eiweiss ist aufgrund des Progesterons erhöht. Der Konsum sollte also ebenfalls auf über 2g/ kg Körpergewicht erhöht werden. Insbesondere vor und nach dem Training sollten 20-30g Protein eingeplant sein. Bei intensivem Sport sollte man allenfalls auch Carbs während des Trainings in Betracht ziehen. Lebensmittel reich an Antioxidantien können auf die Phase 4 vorbereiten. Dazu gehören Nüsse, Samen, Kiwis und viele mehr.
Phase 4
Ein Anti-PMS-Cocktail mit 250g Magnesium (1-2 Kapseln je nach Produkt) und 6 Kapseln Fischeier (Ancestral) kann die PMS-Symptome in Phase 1 lindern. Jetzt ist der optimale Zeitpunkt für einen solchen. Zudem soll man sich auf eine anti-entzündliche und ausgewogene Ernährung reich an Omega3, Eiern, Nüssen, Früchten und Gemüse achten sowie genug schlafen und ein allfälliger hoher Kaffeekonsum reduzieren.
Eine zyklusoptimierte Ernährung kann einiges bewirken, übrigens auch während der Wechseljahre.Allerdings wird Muskelaufbau mit weniger Östrogen immer schwieriger. Umso mehr muss der Erhalt dieser sowie der Knochendichte sichergestellt sein. Dazu braucht es regelmässiges Training. In diesem Blogbeitrag zur Menopause gibt es mehr Infos.
Fazit zum zyklusorientierten Training und praktische Tipps
Die Schilderungen und Tipps in diesem Artikel beruhen auf einer durchschnittlichen Zykluslänge von 28 Tagen. Bekannterweise sind die Abstände jedoch recht individuell. Was einigermassen stabil ist, ist die Lutealphase. Sie dauert ca. 12-16 Tage. Vom Zeitpunkt der Menstruation kann also 5-6 Tage zurückgerechnet werden und man hat den Tag des Eisprungs. Die Follikelphase kann kürzer oder länger als 14 Tage sein und variiert deutlich stärker. Das Zyklus-Tracking ist deshalb das beste Tool, wenn es darum geht zu wissen, in welcher Phase man sich gerade befindet. Besonders positiv zu erwähnen ist die App FitrWomen. Registriert erhält man zusätzlich auch Ernährungstipps inkl. Rezepte, und dies alles kostenlos.
Generell kann folgendes zusammengefasst werden:
Östrogen ist «the good guy», wirkt anabol (Muskelaufbau) und leistungssteigernd. Es steigt in der ersten Hälfte des Zyklus an (Follikelphase), bis es beim Eisprung seinen Peak erreicht. Dann startet die Lutealphase und das Progesteron, «the bad guy», nimmt Überhand. Es macht müde und schlapp und der Körper befindet sich in einem katabolen, abbauenden Zustand. Muskelaufbau ist schwieriger und der Proteinbedarf wegen des erhöhten Abbaus erhöht. Der Körper braucht vermehrt Ruhe und das Trainingsvolumen sollte angepasst werden. Besonders zu Beginn der Lutealphase, beim Eisprung, ist das Verletzungsrisiko aufgrund weniger stabiler Gelenke erhöht (insbesondere das Knie).
Wir wünschen dir viel Power beim Umsetzen!
Quellen
- Vortrag Melanie Pauli, Athletiktrainerin der Schweizer Fussball Frauen-Nationalmannschaft
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7998865/
- http://www.farfalla.ch/de/frauenleben/zyklus
- https://www.luks.ch/newsroom/wie-betreibe-ich-trotz-menstruation-leistungssport
- https://www.luks.ch/newsroom/menstruation-und-leistungs-sport-mit-dem-koerper-arbeiten
- https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/22da14d5-0c68-4999-9043-b51e7d39ef68