Schmerz – wie er entsteht, was er dir sagt und was du mit den Signalen machen sollst
Laut dem Global Pain Index Report 2020 leiden 93% der knapp 20’000 Befragten weltweit mindestens einmal pro Jahr unter Schmerzen. 34% erleben Schmerz täglich. Grund genug, das Thema «Schmerz» genauer unter die Lupe zu nehmen.
Schmerz und dessen Wahrnehmung ist ein komplexes Phänomen, das über biologische Mechanismen hinausgeht. Er ist mit Emotionen, mentalem Zustand und individuellen Toleranzschwellen verbunden. In diesem Beitrag werden die Mechanismen des Schmerzes erforscht, die Geheimnisse hinter den unterschiedlichen Schmerztoleranzen gelüftet und die kontroverse Frage erörtert, ob, wann und wie man unter Schmerzen trainieren sollte. Darüber hinaus helfen wir bei der Entscheidungsfindung, wann es an der Zeit ist, einen Arzt oder Physiotherapeuten aufzusuchen.
Die Mechanismen des Schmerzes
Schmerz ist ein vielschichtiges Phänomen, an dem komplizierte Signalprozesse im Nervensystem beteiligt sind. Im Kern dient der Schmerz als Schutzmechanismus, der den Körper auf mögliche Schäden aufmerksam macht. Das Nervensystem, das aus zentralen und peripheren Komponenten besteht, spielt bei der Übertragung und Interpretation von Schmerzsignalen eine zentrale Rolle.
Nozizeptoren sind spezialisierte sensorische Nervenenden, die sich überall im Körper befinden, insbesondere in der Haut, den Muskeln, den Gelenken und den inneren Organen. Diese Nozizeptoren sind mit Rezeptoren ausgestattet, die auf bestimmte Arten von Reizen reagieren, die mit Gewebeschäden oder Verletzungen einhergehen können. Wenn Nozizeptoren durch Reize wie mechanischen Druck, extreme Temperaturen oder Chemikalien, die während einer Entzündung freigesetzt werden, stimuliert werden, durchlaufen sie einen Prozess, der Transduktion genannt wird. Bei der Transduktion wird die Energie des schädigenden Reizes in elektrische Signale umgewandelt, die als Aktionspotenziale bezeichnet werden und sich entlang der Nervenfasern in Richtung Rückenmark bewegen.
Es gibt hauptsächlich zwei Arten von Nervenfasern, die die Schmerzsignale von den peripheren Geweben zum Rückenmark leiten: Aδ-Fasern und C-Fasern. Aδ-Fasern sind myelinisiert und leiten scharfe, gut lokalisierbare Schmerzsignale schnell weiter. Im Gegensatz dazu sind die C-Fasern nicht myelinisiert und leiten dumpfe und länger anhaltende Schmerzsignale langsamer weiter. Sie sind eher «brennender» oder «pochender» Natur.
Im Dorsalhorn des Rückenmarks werden die Schmerzsignale durch verschiedene Neurotransmitter und Neuromodulatoren verändert. Exzitatorische (erregende) Neurotransmitter wie Glutamat erleichtern die Übertragung von Schmerzsignalen auf aufsteigende Bahnen, die zum Gehirn führen. Umgekehrt tragen hemmende Neurotransmitter wie Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glycin dazu bei, Schmerzsignale zu dämpfen oder zu hemmen und üben so eine modulierende Wirkung auf die Schmerzübertragung aus.
Nach der Modulation im Rückenmark werden die Schmerzsignale an verschiedene Regionen des Gehirns weitergeleitet, unter anderem an den Thalamus, den somatosensorischen Kortex und das limbische System. Der Thalamus dient als Relaisstation, die Schmerzsignale zur Verarbeitung an die entsprechenden kortikalen Bereiche weiterleitet. Der somatosensorische Kortex interpretiert den Ort, die Intensität und die Qualität der Schmerzempfindungen, während das limbische System, das an Emotionen und Gedächtnis beteiligt ist, zu den emotionalen Aspekten der Schmerzwahrnehmung beiträgt.
Durch das Verständnis dieser detaillierten Prozesse, die an der Schmerzsignalgebung beteiligt sind – von der Aktivierung der Nozizeptoren über die Übertragung und Modulation bis hin zur Wahrnehmung – erhalten wir einen Einblick in die Komplexität des Schmerzes und die potenziellen Angriffspunkte fürs Schmerzmanagement. Dieses vielschichtige Verständnis ist entscheidend für die Entwicklung wirksamer Massnahmen zur Schmerzlinderung und zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit schmerzbedingten Erkrankungen.
Individuelle Unterschiede in der Schmerztoleranz
Trotz der Gemeinsamkeiten, die Schmerzen aufweisen, gibt es deutliche Unterschiede in der Fähigkeit, sie zu ertragen. Genetische, psychologische und umweltbedingte Faktoren tragen alle zu diesen Unterschieden in der Schmerzwahrnehmung bei.
Genetische Veranlagungen beeinflussen die Schmerzschwelle einer Person und bestimmen, wie empfindlich ihre Nozizeptoren auf Reize reagieren. Psychologische Faktoren wie Angst, Depression und Stress können die Schmerzwahrnehmung verstärken oder abschwächen. Darüber hinaus prägen frühere Erfahrungen und kulturelle Einflüsse die Reaktion auf Schmerzen und tragen so zu den Unterschieden in der Schmerztoleranz des Einzelnen bei.
Durch den Schmerz «hindurch» trainieren: klug oder dumm?
Die uralte Frage, ob man unter Schmerzen trainieren sollte, sorgt für hitzige Debatten in der Fitness- und Medizinwelt. Es scheint, dass die Antwort nicht schwarz-weiss ist, sondern von der Art und Schwere der Schmerzen abhängt.
In den meisten Fällen sind leichte Beschwerden beim Sport auf die normalen physiologischen Reaktionen zurückzuführen, die mit körperlicher Anstrengung einhergehen. Bei Muskeln, die sich an neue Aktivitäten oder Intensitäten anpassen, kann es zu einem vorübergehenden Muskelkater kommen, der allgemein als verzögert auftretender Muskelkater (Delayed Onset Muscle Soreness, DOMS) bezeichnet wird. Muskelkater ist ein häufiges Phänomen. Er äussert sich in der Regel durch Muskelschmerzen und -steifheit und erreicht in der Regel innerhalb von 24 bis 72 Stunden nach dem Training seinen Höhepunkt. Muskelkater ist das Ergebnis einer mikroskopischen Schädigung der Muskelfasern, die insbesondere bei exzentrischen Kontraktionen, bei denen sich der Muskel unter Spannung dehnt – entstehen. Diese Schädigung löst eine Entzündungsreaktion des Körpers aus, mit Hilfe derer die betroffenen Muskeln repariert werden.
Muskelkater ist zwar unangenehm, ist aber eine normale und vorübergehende «Nebenwirkung körperlicher Aktivität», insbesondere wenn neue Übungen eingeführt oder die Intensität im Training erhöht wird. Trotz seines Namens tritt DOMS nicht immer verzögert auf, sondern manchmal auch unmittelbar nach oder während des Trainings. Auch wenn es verlockend sein mag, körperliche Aktivitäten aufgrund von Muskelkater zu vermeiden, kann die Beibehaltung von sanften Bewegungen oder Übungen mit geringer Belastung tatsächlich dazu beitragen, die Symptome zu lindern, indem die Durchblutung gefördert und der Erholungsprozess unterstützt wird. Die wichtigsten Strategien gegen Muskelkater findest du in diesem Blogbeitrag.
Auch wenn es wichtig ist, auf den eigenen Körper zu hören und Überanstrengung zu vermeiden, ist das gelegentliche Auftreten von Muskelkater ein Zeichen dafür, dass sich die Muskeln anpassen und stärker werden. Mit einem konsequenten Training und einem gut durchdachten Erholungskonzept können die Auswirkungen von Muskelkater minimiert und die Fitnessziele weiterverfolgt werden.
Hilft Dehnen die Schmerzen zu lindern?
Auf dem Weg zu einer optimalen Erholung nach dem Training ist es wichtig, traditionelle Praktiken wie Dehnen auf deren «State of the Art» zu prüfen. Während Dehnen seit langem als notwendiger Bestandteil einer Cool-Down-Routine angepriesen wird, stellen neuere Forschungen seinen unmittelbaren Nutzen in Frage. Studien deuten darauf hin, dass statisches Dehnen direkt nach dem Training im Vergleich zu alternativen Massnahmen wie leichtem Ausdauertraining oder Foam Rolling die Erholung nicht signifikant verbessert. Ausserdem könnte statisches Dehnen, das an ermüdeten Muskeln durchgeführt wird, die Leistung bei nachfolgenden Aktivitäten, die explosive Bewegungen erfordern, beeinträchtigen. Lies hier, was Stretching kann und was nicht.
Es ist also laut aktuellen Erkenntnissen eher davon auszugehen, dass Dehnen nach dem Training suboptimal ist, wobei die individuellen Vorlieben, Ziele und die Anforderungen des Trainings zu berücksichtigen sind. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und persönlichen Erfahrungen sowie das Hören auf die Signale des Körpers sind der Schlüssel zur Optimierung von Erholung und Leistung im Sport.
Im Umgang mit anhaltenden oder akuten Schmerzen ist jedoch Vorsicht geboten. Das Training unter starken Schmerzen kann die zugrunde liegenden Probleme verschlimmern und möglicherweise zu chronischen Schmerzen führen. Es ist wichtig, die Ursache und die Art des Schmerzes zu verstehen: Gelenkschmerzen, stechende Schmerzen oder Schmerzen, die sich während des Trainings verschlimmern, sollten niemals ignoriert werden.
Wann DU EINE FachPERSON aufsuchen sollteST: Arzt vs. Physiotherapeut
Während manche Schmerzen mit Ruhe und richtiger Pflege in den Griff zu bekommen sind, erfordern andere ein professionelles Eingreifen. Die Entscheidung, ob man einen Arzt oder einen Physiotherapeuten aufsucht, erfordert eine sorgfältige Abwägung der Symptome und ihrer Auswirkungen auf das tägliche Leben.
Wann ein Arzt konsultiert werden sollte:
Plötzliche starke Schmerzen: Wenn die Schmerzen stark sind und plötzlich auftreten, insbesondere nach einer Verletzung, ist es wichtig, sofort einen Arzt aufzusuchen. Ebenso bei chronischen Schmerzen, die länger als ein paar Wochen anhalten oder Schmerzen, die sich zunehmend verschlimmern. Taubheitsgefühle oder Kribbeln, die mit den Schmerzen einhergehen, können auf eine Nervenbeteiligung hinweisen und sollten ebenfalls einem Spezialisten gezeigt werden.
Wann DU einen Physiotherapeuten aufsuchen sollteST:
Wenn die Schmerzen auf ein Problem des Bewegungsapparats oder eine Verletzung zurückzuführen sind, kann ein Physiotherapeut gezielte Übungen und Therapien anbieten, um die Heilung zu fördern. Triggerpunkttherapie oder Dry Needling gehören zu den bewährtesten und können direkt beim Physioteam von Personalworkout gebucht werden.
Sportler oder Personen, die regelmässig körperlich aktiv sind, können sich von Zeit zu Zeit auch präventiv behandeln lassen.
FAZIT
Schmerz ist mit seinen komplizierten Mechanismen und individuellen Unterschieden ein ständiger Begleiter, insbesondere wenn man regelmässig und hart trainiert. Dabei kann es manchmal mühsam sein mit Schmerzen umzugehen, aber das Verständnis der Ursachen sowie die genaue Beachtung von Signalen des Körpers können helfen die richtigen Entscheidungen zu fällen. Während sich leichte Beschwerden mit sinnvollem Training in den Griff bekommen lassen, erfordern starke oder anhaltende Schmerzen professionelle Hilfe. Wenn man weiss, wann man einen Arzt oder Physiotherapeuten aufsuchen sollte, kann man seine Gesundheit selbst in die Hand nehmen und einen ganzheitlichen Ansatz zur Schmerzbehandlung und Rehabilitation verfolgen.
Denk daran: Schmerz ist ein Bote, und wenn du seine Signale beachtest, kannst du den Weg zu einem gesünderen, schmerztoleranteren und widerstandsfähigeren Selbst ebnen.
Quellen
- https://www.gsk.com/media/6351/2020-global-plain-index-report.pdf
- https://www.health.harvard.edu/topics/pain
- https://europeanpainfederation.eu/what-is-pain/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30586067/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26088531/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4814802/
- https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/jn.00457.2012?rfr_dat=cr_pub++0pubmed&url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org
- https://www.frontiersin.org/journals/physiology/articles/10.3389/fphys.2021.677581/full?fbclid=IwAR2k3FE6ZUwkrPc6clrbBBgbUkMjQuia1_Re81qUNh4u-XMA2AaAyHzJcN4%2F%3Famp%3D1
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4831894/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3091428/
- https://www.mdpi.com/1648-9144/58/10/1332
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